Konversion nach dem Britenabzug bewältigen – niedersächsische Kommunen unterstützen

Plenarrede von Maximilian Schmidt MdL im Niedersächsischen Landtag am 14. Juli 2015 zum TOP 7: „Entwurf eines Niedersächsischen Kommunalinvestitionsförderungsgesetzes (NKInvFG)“ – Gesetzentwurf der Landesregierung, Drs. 17/3715 und zum TOP 8: „Konversion nach dem Britenabzug bewältigen – niedersächsische Kommunen unterstützen“ – Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Drs. 17/3740

Herr Präsident! Meine sehr geehrten Damen und Herren! In Verbindung mit dem Kommunalinvestitionsförderungsgesetz beraten wir heute auch abschließend einen Entschließungsantrag. Der Anlass ist wahrlich ein historischer. Nach 70 Jahren verlassen die Einheiten der britischen Streitkräfte unser Land Niedersachsen. Damit endet eine Ära, auf die wir mit Dankbarkeit zurückschauen können. Die Briten haben unser Land mit befreit. Es folgten sieben Jahrzehnte, in denen folgende Punkte galten: Erstens eine gute Partnerschaft, in der die Briten einen Anker für die kollektive Sicherheit unseres Landes waren, zweitens eine angenehme Nachbarschaft, bei der viele Tausend Soldatinnen und Soldaten sowie Zivilbeschäftigte zum Teil über viele Jahre in den Standortkommunen wohnten und im besten Sinne hier bei uns in Niedersachsen zu Hause waren, und drittens eine herzliche Freundschaft, die viele Briten und Deutsche verbindet. Diese Freundschaft bleibt. Das ist sicher.

Meine Damen und Herren, mit den Abschiedsparaden in Bad Fallingbostel und Bergen vor wenigen Wochen endete offiziell die Ära der britischen Streitkräfte in Niedersachsen. Damit beginnt eine neue Zeit, eine Zeit, die große Herausforderungen für die betroffenen Regionen mit sich bringt. Am spürbarsten sind die beiden Standortkommunen Bad Fallingbostel und Bergen betroffen. In der Anhörung im Ausschuss haben die beiden Bürgermeister nochmals sehr deutlich gemacht, worum es geht. Bad Fallingbostel und Bergen machen sich auf den Weg. Aber sie werden es nicht alleine schaffen. Sie sind auf partnerschaftliche Unterstützung des Landes und des Bundes angewiesen. Ich freue mich sehr, dass Frau Bürgermeisterin Karin Thorey aus Bad Fallingbostel heute hier ist. Herzlich willkommen im Niedersächsischen Landtag!

Seien Sie versichert: Wir stehen an Ihrer Seite! Meine Damen und Herren, wir sprechen hier im Hohen Hause häufig über den demografischen Wandel. Bad Fallingbostel und Bergen bekommen ihn auch zu spüren, allerdings einen der ganz besonderen Art und gleichsam über Nacht. Bergen, eine Stadt mit rund 15.300 Einwohnern, verliert auf einen Schlag 2.500 Mitbürgerinnen und Mitbürger. Hinzugerechnet werden müssen 1.900 Militärangehörige aus dem benachbarten Camp Bergen-Hohne. Bad Fallingbostel hat knapp 16.000 Einwohner. Hier verlassen über 2.300 Einwohner die Stadt und weitere 2.300 das Camp Fallingbostel. In Summe verlieren beide Städte rund ein Drittel ihrer Bevölkerung innerhalb kürzester Zeit. Damit sind enorme Verluste bei den allgemeinen Schlüsselzuweisungen, vor allem aber bei Aufträgen und Arbeitsplätzen verbunden. Rund 270 Stellen für Zivilbeschäftigte gehen in Bergen, rund 180 in Bad Fallingbostel verloren. Ebenso schwindet erhebliche Kaufkraft. Auf bis zu 65 Millionen Euro wurde der Verlust geschätzt.

Das drängendste Problem sind aber jeweils rund 900 frei werdende Wohnungen, vorrangig im Geschosswohnungsbau. Hinzu kommen zahlreiche Liegenschaften in und um die militärisch genutzten Bereiche. Während woanders Wohnraum knapp wird, steht er hier in Kürze in Masse leer. Man muss sich das konkret vorstellen. Teile in den beiden Kommunen werden zu Geisterstädten, wenn hier nichts geschieht. Jeder weiß, was das für ökonomischen und sozialen Sprengstoff birgt. Bad Fallingbostel und Bergen haben nicht die Entwicklungschancen wie andere und weitaus größere Städte, die bisher vom Truppenabzug betroffen waren. Deshalb wäre es schlicht eine Illusion zu glauben, dass diese Bausubstanz vollständig weiter- bzw. umgenutzt werden könnte. Das hat auch das KonRek-Gutachten aufgezeigt, das von der Landesregierung direkt nach Bekanntwerden der Abzugspläne unterstützt worden ist. Alle Experten haben versichert: Hier helfen nur der Ankauf und Rückbau sowie städtebauliche Maßnahmen zur Umgestaltung.

Doch gerade für die ersten beiden Themen, Ankauf und Rückbau, hat es bisher keine Förderkulisse gegeben. Die klassische Städtebauförderung von Land und Bund ermöglicht dies rechtlich nicht. Bad Fallingbostel und Bergen haben dankenswerterweise von unserer Sozialministerin Cornelia Rundt erst kürzlich zusammen rund 2,6 Millionen Euro Städtebaufördermittel erhalten. Aber das ist der zweite Schritt vor dem ersten. Deshalb war es ungemein wichtig, für den ersten Schritt eine För- derkulisse aufzuzeigen. Das ist durch die Änderungen im Bundesgesetz zum kommunalen Investitionspaket möglich geworden. Der Dank gilt den Kolleginnen und Kollegen im Deutschen Bundestag, die dies ermöglicht haben.

Meine Damen und Herren, jetzt können wir loslegen. Mit dem heutigen Beschluss geben wir für Bad Fallingbostel und Bergen jeweils knapp über 4 Millionen Euro frei. Damit wird auch weiteres Kapital ausgelöst. Der Landkreis Celle und die Stadt Bergen haben bereits im Dezember beschlossen, diese Landesförderung um jeweils 4 Millionen Euro zu ergänzen. Im Heidekreis ist am Freitag Entsprechendes beschlossen worden. Dadurch kommt eine Hebelwirkung zum Tragen. In Summe kann nun mit rund 24 Millionen Euro losgelegt werden. Dafür ist es höchste Zeit.

Meine Damen und Herren, ich glaube, ich darf Ihnen auch im Namen der gesamten Region herzlichen Dank dafür sagen. Mein besonderer Dank gilt der kommunalen Familie in Niedersachsen. Nur dank der Solidarität aller niedersächsischen Kommunen und insbesondere der kommunalen Spitzenverbände ist es möglich geworden, von den 327 Millionen Euro im KIP nun 15 Millionen Euro für Konversionskommunen vorab bereitzustellen, zuvorderst für Bad Fallingbostel und Bergen. Mit dem heute zu beschließenden Gesetz wird dies nun amtlich.

Meine Damen und Herren, ein altes Sprichwort lautet: Wie die Gemeinde beschlossen, so wird die Glocke gegossen. Deshalb freue ich mich besonders darüber, dass wir diese Unterstützung heute mit größtmöglicher Mehrheit auf den Weg bringen können. Herzlichen Dank für die Aufmerksamkeit.

Weitere Artikel