Freies WLAN in Niedersachsen: Freifunk unterstützen, Bürgernetze ausbauen!

Plenarrede von Maximilian Schmidt MdL im Niedersächsischen Landtag am 12. November 2015 zum TOP 42: „Freies WLAN in Niedersachsen: Freifunk unterstützen, Bürgernetze ausbauen!“ – Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Drs. 17/4524

Sehr geehrte Frau Präsidentin – und ich darf sagen liebe Freifunkkollegin Gaby Andretta! Meine sehr geehrten Damen und Herren!

Wir sprechen hier im Hohen Haus häufig über das Thema bürgerschaftliches Engagement, genauso häufig über das Thema digitaler Wandel in der Gesellschaft. Richtig klasse ist, beim Thema Freifunk kommt beides auf ganz wunderbare Weise zusammen.

In Niedersachsen engagieren sich viele Menschen für freie und offene WLAN-Zugänge zum Internet. Mindestens 18 Initiativen gibt es landesweit – ob in Hann. Münden im Süden, in Wittmund im Norden oder in vielen Orten dazwischen. Viele sind hier Teil einer wirklich einmaligen Bürgerbewegung. Gemeinsam wurden so mittlerweile über 2.400 Zugangspunkte im gesamten Land geschaffen, über die jede und jeder kostenfrei ins Netz gehen kann. Stellvertretend für diese vielen Aktiven darf ich hier und heute bei uns im Parlament ganz herzlich Aktive aus Freifunkgruppen begrüßen, namentlich Matthias Kreutzer und Oliver Krüger vom Freifunk Hannover. Herzlich willkommen! Schön, dass Sie hier sind!

Was ist eigentlich Freifunk? – Anfang der 2000er-Jahre haben sich in London und in Berlin erstmals Menschen zusammengefunden, die eine Idee angetrieben hat und die sie auch heute noch motiviert: Ein freies Netz für alle. Und so funktioniert Freifunk konkret: Jeder Nutzer stellt im Freifunknetz in Eigenregie über seinen WLAN-Router einen Teil seiner Datenbandbreite für alle anderen Nutzer zur Verfügung. Im Gegenzug kann sie oder er ebenfalls Daten über das interne Freifunknetz übertragen oder über von Teilnehmern eingerichtete Dienste im Netz nutzen. Dafür werden sogenannte Mesh-Netzwerke genutzt. Viele stellen zudem ihren Internetzugang zur Verfügung und ermöglichen anderen so den Zugang zum weltweiten Netz. Freifunknetze sind Selbstmachnetze – von Bürgern für Bürger. Jede und jeder kann mitmachen. Lokale Communities stellen die auf eigene Bedürfnisse angepasste Software auf ihren Websites zum Download zur Verfügung.

Das Ganze läuft natürlich nicht nur online, sondern auch offline. In vielen Dörfern und Städten gibt es immer mehr Freifunkgruppen, die sich regelmäßig treffen. Genau so ein Treffen habe ich kürzlich zusammen mit Frau Vizepräsidentin Andretta bei Freifunk Göttingen besuchen können. Viele vor Ort bauen das Freifunknetz gemeinsam aus. Die Community ist dabei Teil einer globalen Bewegung für freie Infrastrukturen und offene Funkfrequenzen. Aber dahinter steht eine viel größere Idee: Die Vision ist die Demokratisierung der Kommunikationsmedien durch freie Netzwerke – ein Netz, bei dem alle mitmachen können, auch ohne dicken Geldbeutel.

So weit, so gut. Eigentlich könnten wir in der Politik nur applaudieren. Wie in vielen anderen Bereichen auch engagieren sich Menschen hier für andere – und das ist auch gut so. Aber auch die Freifunkerinnen und Freifunker sind in einem rechtlich regulierten Rahmen aktiv. Und genau der ist alles andere als förderlich für ein freies, offenes Netz für alle.

Zwei massive Hemmschuhe gibt es zurzeit für den Freifunk: zum einen die drohende Einschränkung der Netzneutralität und zum anderen die Störerhaftung. Stichwort „Netzneutralität“: Nur wenn auch künftig alle im Netz mit gleicher Geschwindigkeit unterwegs sein können, nur wenn es bei einem Netz für alle bleibt und nicht zu einem Zwei-Klassen-Internet kommt, kann sich eine Bewegung wie der Freifunk weiter ungehindert entwickeln.

Noch viel wichtiger ist aber das Stichwort „Störerhaftung“ oder vielmehr der Umstand, dass sie in Deutschland nach wie vor gilt. Überall in der Welt des Free Wifi sind freie Zugänge zum Netz selbstverständlich – ob durch Freifunk oder andere Angebote. Wenn wir ins Ausland reisen, erwarten wir doch mittlerweile schon ganz selbstverständlich freies WLAN. Nur in Deutschland hinken wir hinterher. Und, ehrlich gesagt, das, was seitens der Bundesregierung als Gesetzentwurf vorgelegt wurde, verschlimmbessert die Lage nur noch. Es ist gut, dass die Niedersächsische Landesregierung im Bundesrat noch einmal deutlich gemacht hat, dass es so nicht gehen kann. Die Störerhaftung ist eine überkommene, mithin prähistorische Regelung. Sie gehört schlicht abgeschafft.

Die Freifunkbewegung schafft hier Abhilfe, indem die Daten im Netzwerk über einen VPN-Tunnel ins Ausland geleitet werden, wo die Störerhaftung nicht gilt. Aber das kann es doch nicht sein! Wir brauchen auch hier in Deutschland endlich Rechtssicherheit für Betreiberinnen und Betreiber von offenen WLAN-Netzen. Das, meine Damen und Herren, ist auch die erste Forderung in unserem Entschließungsantrag. Dieser Punkt ist wichtig für den Freifunk, aber auch für viele andere. Ob in Restaurants, in Arztpraxen, in Geschäften, auf Marktplätzen und in Innenstädten – offene WLAN-Zugänge müssen frei zugänglich angeboten werden können, ohne Haftungsprobleme und ohne technische Hemmschuhe. Diese Rechtssicherheit zu schaffen, ist Sache des Bundes. Wir können aus Niedersachsen nur daran appellieren. Wir als rot-grüne Koalition wollen aber auch hier im Land die Freifunkbewegung ganz direkt unterstützen. Deshalb setzen wir vor allem auf Information. Die Kommunen sollen über die Potenziale von Freifunk informiert und zum Ausbau der Netze ermutigt werden.

Das gilt natürlich auch für das Land selbst. Wir wollen, dass auch in geeigneten Landesliegenschaften Freifunknetze etabliert werden können. Bei alledem werden wir auch schauen, wie wir den Aufbau der Netze ganz direkt unterstützen können. Ich bin mir sicher: Freifunk ist viel mehr als nur Gratis-WLAN. Bürgernetze bergen noch so viele Chancen, so viele Innovationen, die wir uns heute vielleicht noch gar nicht vorstellen können.

Eine ganz enorme Leistung der Freifunkbewegung will ich deshalb zu guter Letzt beispielhaft ansprechen. Ich will eine ganz konkrete Aktion aus meinem Heimatlandkreis Celle nennen. In Unterlüß bietet die evangelische Gemeinde jetzt ebenfalls Freifunk an. Darüber wird auch in der heutigen Ausgabe der Celleschen Zeitung berichtet. Pastor Wilfried Manneke von der Friedenskirche Unterlüß berichtet dort, dass er in einem Gespräch mit einem Flüchtling aus Eritrea gemerkt hat, wie elementar wichtig der Zugang zum Netz ist: Die Menschen, die zurzeit zu uns kommen, sind zum Teil über Monate auf der Flucht gewesen und sind auch hier nacheinander an verschiedenen Orten untergebracht. Da ist ein Smartphone, ein freier Zugang zum Internet, geradezu überlebenswichtig. Kontakt zu Familien und Freunden, zu anderen auf der Flucht, die Orientierung in der neuen Umgebung – all das findet über WhatsApp, über Facebook und über andere Plattformen statt. Aber dafür ist ein freies WLAN unerlässlich.

Deshalb hat Pastor Manneke einfach gesagt: Wir machen das. Ein neuer Router kam dazu. Mithilfe der Software von Freifunk Uelzen wurde der WLAN-Zugang an den Start gebracht, sodass die Hälfte der DSL-Kapazität jetzt geteilt wird. Kostenpunkt für das ganze Projekt: 20 Euro. Und Pastor Manneke berichtet: Bisher habe ich noch nicht gemerkt, dass mir etwas fehlt. Die Flüchtlinge in Unterlüß sind begeistert und sagen, dass sie das freie Netz nicht nur zur Kommunikation, sondern vor allem auch zum Lernen nutzen. So erzählt z. B. Chalid, dass er Sprachkurse für Deutsch auf youtube anschaut, Onlinewörterbücher nutzt oder einfach praktische Tipps sucht, um sich in unserem Land im Alltag zurechtzufinden.

Übrigens: Vom Freifunknetz in Unterlüß profitieren nicht nur Flüchtlinge. Auch der Gospelchor und andere, die in der Gemeinde aktiv sind oder an Veranstaltungen teilnehmen, können das Netz nutzen. Also eine rundum gute Sache! Dieses Beispiel steht stellvertretend für viele, viele Freifunkgruppen, die in ganz Niedersachsen Einrichtungen der Flüchtlingsunterbringung mit freiem WLAN versorgt haben. Hierfür gilt ihnen ein riesiges Dankeschön.

In diesem Sinne: Lassen Sie uns gemeinsam den Freifunk unterstützen! Lassen Sie uns, wie andere Bundesländer auch, gemeinsam sagen: Ja, wir wollen freie Netze! -Denn auch beim Zugang zum Internet soll der Satz von Wilhelm Busch gelten: „Doch guter Menschen Hauptbestreben ist, andern auch was abzugeben.“ Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.

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