Persönlichkeitsrechte stärken – maßloses Datensammeln stoppen! – Rede zum Antrag der Fraktion der FDP – Drs. 17/853

Persönlichkeitsrechte stärken – maßloses Datensammeln stoppen! – Rede zum Antrag der Fraktion der FDP – Drs. 17/853

Guten Morgen, Herr Präsident! Meine Damen und Herren! „Persönlichkeitsrechte stärken – maßloses Datensammeln stoppen!“ Diese Überschrift ist wunderbar; wir sollten sie einfach beschließen, gleich jetzt und hier. Damit ist allerdings noch kein
Problem gelöst, das der FDP – das darf ich schon sagen – ohnehin nicht.

Wir erleben nämlich in der Debatte über den Datenschutz und noch mehr in der Debatte über die Frage, wie sich Staaten auf die Herausforderungen im Zeitalter der Informationsgesellschaft einstellen, vielfach einen Diskurs, der lediglich in Überschriften geführt wird. „Mehr Datenschutz“ sagen die einen, „mehr Sicherheit“ die anderen, am liebsten beides. Nur ändert sich nichts. Währenddessen erfahren wir täglich Neues aus einer Parallelgesellschaft, die sich zweifelsohne gebildet hat. NSA und andere staatliche Geheimdienste speichern einfach alles – „full take“ nennt man das. Jede Kommunikation wird abgespeichert, alles wird mitgenommen, und zwar ohne unser Wissen.

Zugleich leben wir in einer Zeit, in der wir die Erhebung von Daten letztlich auch als Annehmlichkeit empfinden. „Big Data“ sorgt u. a. dafür, dass uns bei Amazon Bücher zum Kauf empfohlen werden, die uns gefallen könnten; Daten werden aggregiert, Nutzerprofile erstellt. Als Kunden wird uns mithilfe von Daten alles annehmlich, mithin bequem gemacht – ebenfalls ohne unser Wissen.

Der entscheidende Punkt ist: Auch unter dem Deckmantel von Bequemlichkeit und wirtschaftlicher Nützlichkeit dürfen Freiheits- und Bürgerrechte niemals aufgeweicht oder letztlich ausgehöhlt werden.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, das haben wir zu spü- ren bekommen. Das hat sogar die Bundeskanzlerin dieses Landes zu spüren bekommen. Dass Frau Merkel abgehört wurde und vielleicht auch noch wird, bekümmert mich nicht wegen der Person von Frau Merkel, sondern wegen ihres Amtes und ihrer verfassungsrechtlichen Stellung.

(Zustimmung von Mechthild Ross- Luttmann [CDU])

Wenn Regierungschefs durch andere Staaten überwacht werden, dann ist die Souveränität eines Landes in Gefahr. Das ist nicht hinnehmbar.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN sowie Zustimmung bei der CDU und bei der FDP)

Meine Damen und Herren, es gibt hinreichend Hinweise dafür, dass wir von dieser Ausspähpraxis auch in Niedersachsen in besonderer Weise betroffen sind. In Norden in Ostfriesland landet das
Datenkabel TAT-14 an, über das ein Großteil des transatlantischen Datenverkehrs abgewickelt wird. Es gibt seit geraumer Zeit mehrere Berichte, die darauf hinweisen, dass dieses Kabel direkt von der NSA und auch von britischen Geheimdiensten angezapft wurde. Damit entstünde Zugriff auf die Daten von Millionen Bürgerinnen und Bürgern. Das ist doch der eigentliche Skandal, und das bekümmert mich wirklich.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Man wundert sich ja doch gelegentlich, dass erst dann Aufmerksamkeit entsteht, wenn das Kanzlerinnenhandy höchst selbst angezapft wird. Ich glaube, manche, die noch vor Kurzem freimütig erklärt haben, die NSA-Affäre sei beendet, müssen sich korrigieren.

(Johanne Modder [SPD]: Unverantwortbar!)

Sie ist keineswegs beendet, und es ist höchste Zeit für Aufklärung.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Jede Forderung, nur in Niedersachsen oder in Deutschland den Datenschutz neu zu regeln, wird aber dem Fortschreiten der Zeit nicht standhalten können. Denn es geht darum, wie der Datenschutz in der EU insgesamt geregelt ist. Noch immer ha- ben wir hier einen Flickenteppich; 28 Mitgliedstaaten orientieren sich an einer Richtlinie von 1995. Damals war das Internet immerhin wirklich noch Neuland. Wir brauchen heute eine neue europäische Datenschutz-Grundverordnung, die für alle verbindlich gilt.
Ich will kurz fünf Eckpunkte nennen, von denen ich glaube, dass sie für die weitere Debatte wichtig sind.

Erstens: Wir brauchen ein Recht für jeden Einzelnen auf Auskunft über Daten, Löschung und Korrektur von Daten, die durch andere erhoben werden. Dazu gehört die explizite Einwilligung, wenn es zur Verarbeitung von Daten kommen soll.

Zweitens: Wir brauchen eine Informationspflicht und mehr Transparenz bei der Weitergabe von Daten. Das schließt auch und insbesondere die Datenweitergabe an Drittstaaten ein. Und es muss klare Sanktionen bei Verstößen geben.

Drittens: Wir brauchen „Privacy by Design“ und eine datenarme Verarbeitungspraxis sowie eine Regelung, die mit wenig Bürokratie auskommt und eine einheitliche Rechtsdurchsetzung sicherstellt.

Viertens: Wir brauchen bei staatlich erhobenen Daten das Prinzip von Open Data. In Niedersachsen werden wir übrigens mit unserem Informationsfreiheitsgesetz dafür die Grundlagen schaffen.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Fünftens: Wir müssen in der Bildung ganz am An- fang beginnen – Stichwort „Medienkompetenz“. Denn der Umgang mit Daten muss gelernt werden.

Kurzum: Meine Damen und Herren, die Logik der Überwachung muss durchbrochen werden. Die Parallelgesellschaften der Geheimdienste müssen aus dem Dunkel ins Licht der Öffentlichkeit gezogen und hinterfragt werden. Deshalb darf es auch nicht nur bei dieser Aktuellen Stunde bleiben; politisch verantwortliches Handeln ist gefragt. Darauf kommt es an.

Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

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