Beschränkung der anlassunabhängigen Vorratsdatenspeicherung

Erste Beratung:
Beschränkung der anlassunabhängigen Vorratsdatenspeicherung – Antrag der Fraktion der FDP – Drs. 17/571

Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Dr. Genthe, o du schöne Freiheit – die FDP entdeckt die Bürgerrechte wieder! Nach zehn Jahren im Schwitzkasten von Herrn Schünemann versuchen Sie sich jetzt wieder als Bürgerrechtspartei zu profilieren. Wir sehen: Sie haben Ihre Freiheit wiedergewonnen.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN – Christian Grascha [FDP]: Wer hat denn die Vorratsdatenspeicherung bisher verhindert?)

Der Punkt ist: Dieser Antrag kann auch einer besonderen Art der Gruppentherapie in der FDP dienen. Ich kann Ihnen bestätigen: Nach diesem Wahlsonntag ist diese Therapie auch notwendig.

Aber ich sage Ihnen eines: Die jüngsten Erkenntnisse in Niedersachsen haben doch gezeigt: Während Sie hier mitregiert haben, hat Herr Schünemann beim Verfassungsschutz eine ganz besondere Art der Vorratsdatenspeicherung organisiert. Da wurden Daten über Journalisten erhoben – ohne Rechtsgrundlage und unter Missachtung der Pressefreiheit.

(Angelika Jahns [CDU]: Woher wollen Sie das wissen?)

Da wäre selbst die NSA neidisch geworden, wenn man sich anschaut, was da mit Ihnen zusammen in der Regierung organisiert wurde.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Vizepräsident Karl-Heinz Klare:
Herr Schmidt, darf ich Sie kurz unterbrechen? – Es gibt zwei Bitten, nämlich nach einer Frage und einer Kurzintervention.

Maximilian Schmidt (SPD): Ich führe erst einmal aus.

Vizepräsident Karl-Heinz Klare:
Sie führen erst aus. Dann kommt das nachher. Sie haben das Wort, Herr Schmidt.

Maximilian Schmidt (SPD):

Wir haben Ihren Entschließungsantrag mit großem Interesse gelesen. Schon die Einleitung ist an der Stelle bezeichnend. Sie bemühen dort die Vorgänge um den NSA-Skandal. Sie schreiben, dass mutmaßlich Verkehrsdaten der Bürgerinnen und Bürger in Deutschland in einem umfangreichen Maße ohne konkreten Anlass ausgespäht und gespeichert wurden. Ich frage Sie: Wo waren Sie denn, als Frau Merkel z. B. die noch immer nicht aufgeklärte Datenausspähung durch ausländische Geheimdienste einfach fortgeschoben und gesagt hat, sie warte ab, sie wisse von nichts? Der Antrag steht in einem Kontrast dazu. Das ist eine besondere Form der Selbsthypnose.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, beim Thema Vorratsdatenspeicherung geht es letztlich um eine immanente Auseinandersetzung in der Frage der Balance zwischen Freiheit und Sicherheit. Ich zitiere Benjamin Franklin, der die Unabhängigkeitserklärung der USA mit unterzeichnet hat. Er hat einmal gesagt: „Wer die Freiheit aufgibt, um Sicherheit zu gewinnen, wird am Ende beides verlieren.“ Entscheidend ist also eine Güterabwägung zwischen Freiheit und Sicherheit, die beides gleichermaßen berücksichtigt. Deswegen: Unser Grundgesetz kennt kein Supergrundrecht auf Sicherheit, wie es Bundesinnenminister Friedrich bezeichnet hat. Unsere Verfassung kennt nur gleiche und unteilbare Grundrechte. Die dürfen niemals gegeneinander ausgespielt werden.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren, die Vorratsdatenspeicherung ist ein Eingriff in die Grundrechte der Privatsphäre und der informationellen Selbstbestimmung. Dieser Eingriff ist aber eben dann nötig, wenn Daten zur Aufklärung von Straftaten und zum Schutz der freiheitlich demokratischen Grundordnung herangezogen werden müssen. Dafür müssen sie zuvor erhoben und auch gespeichert werden. Kurzum: Nur mit einer Datengrundlage kann man Daten auch nutzen.
Im Internetzeitalter haben sich auch die Formen von Kriminalität verändert. Strafverfolgung und Extremismusbekämpfung funktionieren heute nur, wenn unsere Polizei, Staatsanwaltschaften und weitere Sicherheitsorgane gut mit Personal, Material und Know-how ausgestattet sind, um eine wirksame Strafverfolgung durchzuführen. Meine Damen und Herren, das müssen wir zuallererst gewährleisten.

(Zustimmung bei der SPD)

Die SPD-Landtagsfraktion hat schon vor zwei Jahren – das ist zitiert worden – einen Vorschlag ge- macht, wie die Vorratsdatenspeicherung effektiv und auch grundrechtsschonend umgesetzt werden kann. Wir haben dort vier Punkte als Kompromiss angeboten, um diese Balance herzustellen.

Das ist erstens die Feststellung: Ja, es werden Daten gespeichert werden müssen. Das muss man zuallererst anerkennen.

Zweitens: An die Herausgabe dieser Daten sind sehr hohe Hürden zu stellen. Der Abruf und die Nutzung der Daten dürfen nur bei einem Verdacht auf schwerste Straftaten erfolgen, die in einem Katalog auch festzulegen sind. Der Abruf muss jederzeit unter Richtervorbehalt stehen.

Drittens: Die Behörden sind personell und sachlich so auszustatten, dass eine Überprüfung aller Zusagen der Herausgabe von Kommunikationsdaten zum Schutz der Privatsphäre im Rahmen der Aufnahme durch den Dienst möglich ist.

(Unruhe)

Vizepräsident Karl-Heinz Klare:
Herr Schmidt, eine Sekunde! – Ich schaue einmal nach rechts. Herr Böhlke, Sie führen Verhandlungen über Parteigrenzen hinaus. Ich darf Sie bitten, einfach ein bisschen ruhiger zu werden; denn der Redner hat das Wort. Es kommt hier sehr laut an. Ich bitte um
Nachsicht. – Vielen Dank.

Maximilian Schmidt (SPD):

Ich will die Verhandlungen nicht gesondert stören. Wir reden jetzt aber über Vorratsdatenspeicherung.

Vizepräsident Karl-Heinz Klare:
Ja, Sie haben das Wort wieder.

Maximilian Schmidt (SPD):

Vielen Dank.
Bei diesem Thema sind letztlich Sachlichkeit und natürlich auch Kompromissfähigkeit entscheidend.
Bei der Frage der Vorratsdatenspeicherung gibt es kein Schwarz-Weiß-Schema. Der alte Konflikt zwischen absoluten Gegnern und Befürwortern darf nicht wieder aufbrechen, sodass am Ende eine Lösung ausbleibt. Das ist aber der aktuelle Zustand. Frau Leutheusser-Schnarrenberger ist in Kürze nicht mehr in Verantwortung. Aber es ist auch über die Jahre hinweg nicht gelungen, EU- rechtskonform etwas Sinnvolles umzusetzen, was auch die Grundrechte schützt, die in unserer Verfassung belegt sind.
Wissen Sie, was mich stört? – Jedes Mal nach einem schlimmen Terroranschlag in der Welt ist auch hierzulande die Maschinerie für die Begründungszenarien der absoluten Datenspeicherung ohne Rücksicht auf Bürgerrechte angelaufen. Das war auch nach dem Massaker 2011 auf der norwegischen Insel Utøya so. Damals hat der norwegische Ministerpräsident, Jens Stoltenberg, eine herausragende Wertebestimmung vorgenommen, als er sagte: Noch sind wir geschockt, aber wir werden unsere Werte nicht aufgeben; unsere Antwort lautet: mehr Demokratie, mehr Offenheit, mehr Menschlichkeit.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Lassen Sie uns genau in diesem Sinne diskutieren und zum Wohle der Bürgerinnen und Bürger unseres Landes eine Regelung für die Speicherung von Daten finden, die Freiheit und Sicherheit gleichermaßen berücksichtigt.

In diesem Sinne freuen wir uns auf die Diskussion im Ausschuss.

Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

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