Frei, schnell, für alle, überall: Zugänge zum Internet ausbauen – Netzneutralität bewahren – Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen – Drs. 17/263

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Damit es schnell geht, hatte ich mich eben schon auf den Weg gemacht.
Wissen Sie was? – Die Bundeskanzlerin hat gestern einen richtig großen Hit gelandet, und zwar ziemlich unfreiwillig. Sie hat nämlich auf der gestrigen Pressekonferenz mit Barack Obama einen Clip auf YouTube publiziert, der wahrscheinlich noch mehr Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. Sie hat den, wie ich finde, ziemlich merkwürdigen Satz gesagt: „Das Internet ist für uns alle Neuland.“

Ich muss Ihnen sagen: In meiner Generation, aber auch in der Generation meiner Oma – sie ist 80 Jahre alt- ist das Internet eben kein Neuland mehr, sondern es ist Teil unserer Alltagskultur.
Ich habe die Mittagspause für einen Besuch beim Landesjugendring genutzt. Er führt heute die Tagung NETPARTY 2013 durch, bei der es darum geht, Teilhabe für junge Menschen über das Internet und mithilfe des Internets zu organisieren. Von daher ist das Internet für uns kein Neuland, sondern die größte Innovation unserer Zeit.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Das Internet ist nicht nur ein Medium, um sich Videos anzugucken, sich Nachrichten zu schreiben oder Ähnliches. Ehrlich gesagt, es ist die Grundlage für unsere moderne Wirtschaft, wie wir sie haben. In Niedersachsen sind 11 000 Unternehmen mit über 60 000 Beschäftigten ansässig, die in diesem Bereich der IKT-Wirtschaft angesiedelt sind. Aber ich kann mir heutzutage kein einziges Unternehmen mehr vorstellen, das ohne einen schnellen, freien und offenen Internetzugang auskommt.

Vor dem Hintergrund ist der Internetzugang heut- zutage ein ganz selbstverständliches Arbeitsmittel, auch bei uns hier im Hause. Der Kollege Oetjen z. B. nutzt es gerade intensiv, viele andere Kolleginnen und Kollegen auch. Das Internet dient auch etwas anderem, was für diesen Landtag insgesamt sehr wichtig ist. Das Internet hat ein neues Zeitalter eingeläutet, mit dem endlich die gleiche Augenhöhe zwischen Regierenden und Regierten erreicht wird.

(Norbert Böhlke [CDU]: Also doch Neuland! – Ulf Thiele [CDU]: Innovation! Neuland! – Beifall bei der CDU)

– Ich weiß, Sie können heute noch den Gegenbeweis antreten, dass Sie an der Stelle weiter sind als Frau Merkel. Das werden Sie mit Sicherheit auch tun.

Wissen Sie, was heute die entscheidende Frage ist? – Das ist tatsächlich eine Gerechtigkeitsfrage. Da der Zugang zum Internet auch die Grundlage für wirtschaftliche Stärke, für Informations- und Meinungsfreiheit ist, besteht leicht die Gefahr, dass die Gesellschaft in zwei Teile gespalten wird: in jene, die einen solchen Zugang haben, und jene, die ihn nicht haben, etwa weil sie nicht das nötige Geld mitbringen oder weil sie am falschen Ort wohnen, z. B. im sehr ländlichen Raum, wo der Internetausbau in vielen Teilen unseres Landes noch nicht weit genug vorangeschritten ist. Deswegen ist die Frage des Zugangs zum Internet heute gleichermaßen eine Frage von Freiheit und von Gerechtigkeit.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Doch diese Freiheit gerät zurzeit in Gefahr. Es geht um die Neutralität der Datenübermittlung im Netz. Die Deutsche Telekom hat vor einiger Zeit angekündigt, dass sie in Zukunft die sogenannten Flatrate-Angebote eingrenzen will. Das heißt: Jemand, der einen Vertrag abschließt, mit dem er sich den freien, gleichen und immer mit hoher Geschwindigkeit hinterlegten Zugang zum Netz sichern will, erfährt, dass dieser Zugang irgendwann eingeschränkt wird.

Das ist der Einstieg in den Ausstieg aus dem freien Internet! Denn dann gilt ein anderes Prinzip. Dann gilt nicht mehr das Prinzip des freien Netzzugangs, sondern das Prinzip: Wer genug Geld mitbringt, der kann das Internet in seiner vollen Breite nutzen. – Ich glaube, das ist einfach falsch.

(Beifall bei der SPD)

Dadurch wird Innovation gebremst und letztlich auch die Informations- und Meinungsfreiheit ein- geschränkt. Wir müssen uns also sehr genau über- legen, wie wir die Bedingungen für das Internet so regulieren, dass alle daran teilhaben können.
Es gab vor einigen Jahren – vielleicht erinnert sich der eine oder die andere noch daran – einen Wirtschaftsminister Michael Glos. Der hat zum Thema Internet den denkwürdigen Satz gesagt: Ich habe Gott sei Dank Leute, die für mich das Internet bedienen. – Herzlichen Glückwunsch dazu!

Vizepräsident Karl-Heinz Klare:
Darf ich Sie kurz unterbrechen? – Vom Kollegen Bäumer liegt die Bitte für eine Zwischenfrage vor. Lassen Sie die zu?
Maximilian Schmidt (SPD): Wenn es hilft, gerne.

Martin Bäumer (CDU):
Herr Kollege, Sie halten ja eine sehr euphorische Rede, was das Thema schnelles Internet angeht. Vor diesem Hintergrund möchte ich Ihnen die Frage stellen, warum gestern Morgen beim Parlamentarischen Frühstück des VKU zwölf Abgeordnete der CDU da gewesen sind, aber nur eine Kollegin der SPD.

(Zurufe von der SPD: Oh! – Beifall bei der CDU)

Vizepräsident Karl-Heinz Klare:
Herr Schmidt, Sie haben das Wort.

Maximilian Schmidt (SPD):
Darauf kann ich Ihnen sehr leicht antworten: Frau Andrea Schröder-Ehlers hat uns dort wirklich wunderbar vertreten.

(Beifall bei der SPD)

Der aktuelle Wirtschaftsminister nimmt sich hingegen tatsächlich des Internets an. Philipp Rösler, nachdem er nach Berlin gegangen ist, hat jetzt auch erkannt, dass ein freies Internet sowie der schnelle Zugang dazu wichtig sind. Er hat angekündigt, dass er auf dem Verordnungsweg die Netzneutralität gewährleisten will. Aber wenige Tage später ist diese Zusage schon wieder zu- rückgenommen worden; denn die sogenannten Managed Services, die die Telekom anbietet, sollen ausgenommen werden.

Worum geht es dabei? – Ich möchte versuchen, es zu erklären. Managed Services sind Zukaufangebote. Das heißt, man kauft sich einen Internetzugang im „Sandkasten“: Es entscheidet nicht mehr der Nutzer, sondern der Anbieter. Und das ist der Einstieg in den Ausstieg aus dem freien, offenen Internet. Das ist der Einstieg in ein Zweiklasseninternet. Kleinere und mittlere Unternehmen, die auf diesem Gebiet Innovationen entwickeln, haben dazu dann keine Chance mehr. Sie kommen in diesen gekauften „Sandkasten“ nicht hinein, weil sie nicht über die notwendigen Mittel dazu verfügen.

Wir wollen das ändern. Wir wollen Netzneutralität ohne Wenn und Aber. Wir wollen bei der Novellierung des Telekommunikationsgesetzes die Netzneutralität gesetzlich festschreiben.
Bei der Gelegenheit wollen wir auch noch eine andere Sache regeln. Das hängt mit einer Diskussion zusammen, die zurzeit nicht nur in Amerika, sondern auch in Europa eine große Rolle spielt. Wir wollen nämlich auch verhindern, dass Inhaltskontrollen stattfinden. Wir wollen nicht, dass den Bürgerinnen und Bürgern in die Daten geguckt wird: weder durch den Staat noch durch die
Anbieter.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Und wir wollen, dass das Ganze durch die Bundesnetzagentur kontrolliert und sanktioniert wer- den kann.
Ich glaube im Übrigen, dass das ein ganz großes Verbraucherschutzthema ist. Wir wollen, dass Kundinnen und Kunden sich wehren können. Wir wollen, dass, wenn „Flatrate“ oben draufsteht, auch Flatrate drin ist und man nicht mehr 20 Seiten Allgemeine Geschäftsbedingungen lesen muss, um herauszufinden, ob irgendetwas gedrosselt wird.
Wir wollen die Verbraucherinnen und Verbraucher dadurch stärken, dass sie ein Sonderkündigungsrecht bekommen. In dem Moment, in dem die Netzneutralität eingeschränkt wird, soll der Kunde seine Vertragsbindung aufheben und sich einen Anbieter suchen können, der ihm solche Beschränkungen nicht auferlegt.

Und wir wollen beim Ausbau der Internet- Infrastruktur etwas tun, der in den nächsten Jahren ganz wichtig ist. Ich bin der Landesregierung übrigens dankbar, dass jetzt schon die nächste EU-Förderperiode vorbereitet wird. Über den EFRE werden wir den Breitbandausbau künftig nur noch sehr schwer fördern können. Wenn wir damit über den ELER weitermachen, gerade im ländlichen Raum, muss aber eines gelten: Wenn Steuergelder in den Internetausbau fließen, dann dürfen die Anbieter nicht drosseln. Netzneutralität muss die Grundlage dafür sein, dass Steuergeld in den Breitbandausbau fließt.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Es ist zu Recht darauf hingewiesen worden, dass wir hier nicht alles im Landtag regeln können. Deswegen werden wir uns über den Bundesrat dafür einsetzen, dass das für Deutschland und für Europa geregelt wird und dass wir uns daran auch international beteiligen.

Ich komme zum Schluss. Hier im Landtag ist es ja nicht wie auf Facebook. Hier ist ein Antrag noch nicht dadurch beschlossen, dass man nur auf „ge- fällt mir“ klickt, sondern hier ist eine Offline-Beratung im Fachausschuss notwendig. Darauf freue ich mich, und ich freue mich sogar über Ihre viel- leicht physische Zustimmung per Handzeichen.

Schönen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

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