Digitaler Binnenmarkt in Europa: Chancen für Niedersachsen nutzen!

Plenarrede von Maximilian Schmidt MdL im Niedersächsischen Landtag am 20. Januar 2016 zum TOP 6: „Digitaler Binnenmarkt in Europa: Chancen für Niedersachsen nutzen!“ – Antrag der Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen, Drs. 17/3839

Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Heute beraten wir abschließend unseren Antrag zum digitalen Binnenmarkt in Europa. Dieser digitale Binnenmarkt ist ein enormes Projekt, weil es mit Fortschritt zu tun hat – wirtschaftlich, technologisch, vor allen Dingen aber auch gesellschaftlich. Allein die wirtschaftliche Bedeutung ist herausragend. In der IKT-Branche arbeiten in Deutschland mittlerweile 1 Million Menschen in 91.000 Unternehmen, die 226 Milliarden Euro Umsatz erzeugen.

Die Triebfeder für diese wirtschaftliche Leistung ist technologischer Fortschritt. Ich sage ganz deutlich: Wir wollen, dass diese Innovationen bei uns in Europa, in Deutschland und Niedersachsen entwickelt werden und eben nicht nur auf der anderen Seite des Atlantiks. Dafür brauchen wir einen digitalen Binnenmarkt. Wir brauchen dafür aber auch klare Regeln. Einen guten Binnenmarkt wird es nur geben, wenn es weiter ein freies offenes Netz für alle, Datenschutz für alle und auch die Chance gibt, wirklich diskriminierungsfrei über Grenzen hinweg neue Ideen auf den Markt zu bringen. Das darf nicht nur für große Konzerne gelten, sondern auch kleine und mittlere Unternehmen sowie Startups müssen eine Chance haben. Nur dann wird dieser Markt erfolgreich sein.

Meine Damen und Herren, allerdings gibt es in Europa noch einige Hindernisse. Ein Beispiel: 39% der Unternehmen, die ihre Waren online verkaufen, führen als größtes Hindernis das unterschiedliche Vertragsrecht in Europa an. Dadurch würden Kosten in Höhe von rund 4 Milliarden Euro jährlich entstehen; übrigens Kosten, die am Ende die Verbraucherinnen und Verbraucher zahlen müssen.

Ebenso gibt es nach wie vor Hindernisse aus Sicht der Verbraucher. Nur 18% der Menschen, die das Internet für private Zwecke nutzen, kauften im Jahr 2014 Waren aus einem anderen EU Land online, 55% hingegen nur aus dem eigenen Land. Verbraucher sehen sich im Nachteil, weil sie ihre Rechte beim Online-Handel und bei digitalen Inhalten nicht klar genug geregelt sehen. Genau diese Sicherheit für Unternehmen und Verbraucher muss der digitale Binnenmarkt aber bringen.

Deswegen stellen wir heute eine Entschließung zur Abstimmung, die wichtige Punkte für die Gestaltung des digitalen Binnenmarkts in Europa enthält. Vier will ich aufzählen:

Erstens. Die Grundlage für ein offenes Netz für alle ist die uneingeschränkte Einhaltung des Prinzips der Netzneutralität. Wir wollen einen offenen, freien und unbeschränkten Zugang bei fairen Marktbedingungen. Der hier zu kürzlich getroffene Beschluss des Europäischen Parlaments ist in diesem Kontext leider nur unzureichend. Er ermöglicht es den Telekommunikationsunternehmen nämlich, die Netzneutralität u. a. durch sogenannte Zero-Rating-Dienste zu umgehen oder für bestimmte Dienste oder Regionen Zusatzgebühren zu erheben. Diese Regelungslücken müssen geschlossen werden. Insbesondere muss Zero-Rating ausgeschlossen werden. Viel einfacher gesagt: Wir wollen kein Netz, in dem man sich quasi einen Fahrschein für die erste, zweite oder dritte Klasse kaufen muss, sondern wir wollen ein Netz, an dem alle frei und gleich teilhaben können.

Zweitens. Wir wollen, dass es in Europa endlich rechtssichere und einheitliche Datenschutzstandards auf höchstem Niveau gibt. Das gilt auch für das Urheberrecht. Rechte wie die Panoramafreiheit müssen im Telekommunikationsrecht europaweit festgeschrieben werden. Um es klar zu sagen: Wir wollen ein Netz, in dem sich Bürgerrechte nicht Wirtschaftsinteressen unterordnen müssen, sondern immer Vorrang haben.

Drittens. Wir wollen, dass es bei der Telekommunikation endlich einen echten freien Markt gibt. Es ist ja ein richtiger erster Schritt, dass die Roaminggebühren für Anrufe, Kurznachrichten und Datenverbindungen schrittweise abgeschafft werden. Ziel muss es allerdings sein, dass sie vollständig aus dem Weg geräumt werden. Dazu gehört auch, dass es künftig einfacher möglich sein muss, Telekommunikationsnetze länderübergreifend aufzubauen und auch zu betreiben. Letztlich gilt: Wir wollen, dass im digitalen Binnenmarkt bestehende Ländergrenzen in Netzen und Diensten vollständig entfallen können; denn nur dann gäbe es einen wirklichen europäischen Binnenmarkt.

Schließlich viertens. Niedersachsen muss Netzland Nummer 1 bleiben. Deshalb arbeiten wir weiter mit aller Kraft am Breitbandausbau in unserem Land. „Mindestens 30 Mbit/s für alle bis 2020“ ist nur ein Zwischenziel. Wir wollen mehr. 50 Mbit hat die Bundesregierung aufgeschrieben. Der Kern aber ist doch: Schon heute gibt es in anderen Ländern viel höhere Bandbreiten. Dementsprechend müssen wir hier noch viel weiter vorankommen. Es geht um den flächendeckenden Ausbau von Glasfasernetzen. Diese sind wirklich zukunftssicher und bieten noch mehr.

In der Summe bringen wir in Niedersachsen dafür übrigens 600 Millionen Euro an Fördermitteln plus 1 Milliarde Euro an Darlehen an den Start. Ich glaube, das ist eine ganz enorme Investition, die dazu dient, diesen digitalen Binnenmarkt überhaupt erst zu ermöglichen. Letztlich: Das ist die Grundlage für den Binnenmarkt, dessen Chancen wir nutzen wollen, indem wir allen Menschen den Zugang zum Netz ermöglichen, egal ob in der großen Stadt oder im ländlichen Raum.

Schlussendlich: Der digitale Binnenmarkt birgt großen Chancen in sich. Ja! Er braucht aber auch Regeln, damit er funktioniert. Diese wollen wir setzen. Dafür bitten wir Sie heute um Unterstützung für unseren Antrag.

Was ich noch sagen möchte: Uns hat gefreut, dass in den Ausschussberatungen zumindest vonseiten der FDP Wohlwollen signalisiert worden ist. Schade war, dass sich die CDU hier nicht hat beteiligen können. Das liegt wahrscheinlich mit daran vielleicht wird das gleich noch begründet, dass man sich an dieser Stelle nach wie vor nicht zur Netzneutralität und zum Datenschutz bekennt. Wir aber tun das sehr deutlich. Deshalb bleibt dies in unserem Antrag. Wir wollen eben nicht nur einen freien Markt, sondern wir wollen einen freien und fairen Markt mit gerechten Regeln. Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.

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