Mehrjähriger Finanzrahmen der Europäischen Union 2014 bis 2020 – Für einen starken und ausgewogenen EU-Haushalt

Mehrjähriger Finanzrahmen der Europäischen Union 2014 bis 2020 – Für einen starken und ausgewogenen EU-Haushalt – Antrag der
Fraktion der SPD und der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen – Drs. 17/74

Zur Einbringung hat das Wort der Kollege Maximilian Schmidt von der SPD-Fraktion. Bitte, Herr Schmidt!

Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Am 20. Januar dieses Jahres hatten wir in Niedersachsen nicht nur eine Landtagswahl, sondern ganz nebenbei ein historisches Jubiläum.

Auf den Tag genau vor 25 Jahren, am 20. Januar 1988, hat der damalige Präsident der EU- Kommission – seinerzeit EG-Kommission -, der große Europäer und Sozialist Jacques Delors, quasi den ersten europäischen Finanzrahmen mit seinem Delors-Paket I vorgestellt. Delors sagte damals vor dem Europäischen Parlament – ich zitiere:

„Unzählige Anstrengungen wurden unternommen, um ein gemeinsames Ziel … festzulegen. Und das Ergebnis? Die Gemein- same Agrarpolitik als Stolperstein, …, dann die Bestrebungen einiger Länder, andere Länder mit Geld auf ihre Seite zu ziehen, die Seele Europas gegen ein Linsengericht einzutauschen. Hier liegt die Gefahr.“

Ich empfehle die Lektüre der gesamten Rede. Aber diese Feststellung reicht; denn sie bleibt heute genauso dringend und wahr. Wissen Sie was? Heute, 25 Jahre später, droht ein solcher Tausch erneut.

(Beifall bei der SPD und Zustimmung bei den GRÜNEN)

Die schwarz-gelbe Bundesregierung tauscht Europas Seele gegen eine knallharte Politik des Kaputtsparens, und zwar zum Schaden unseres Landes Niedersachsen, weil wir erhebliche Einbußen hinzunehmen hätten.

(Beifall bei der SPD)

Worum geht es in der Sache? – Zurzeit wird über den künftigen mehrjährigen Finanzrahmen der EU verhandelt. In der laufenden Förderperiode von 2007 bis 2013 hat Niedersachsen von den EU- Mitteln stark profitiert – fast 2,7 Milliarden Euro aus den Fonds EFRE, ESF, ELER und dem Fischereifonds. Für die nächste Förderperiode sind allerdings erhebliche Einschnitte zu erwarten. Frau Merkel hat mit den anderen Staats- und Regierungschefs am 7. und 8. Februar dieses Jahres beim EU-Gipfel beschlossen, den Finanzrahmen auf rund 960 Milliarden Euro zu kappen. Damit würde zwar das Volumen des Etats steigen, der Anteil am Bruttonationalprodukt der EU aber von rund 1,12 % auf ziemlich genau 1 % sinken, was ein Realverlust von rund 10 % wäre.
Viel verheerender im Ergebnis ist aber die Verteilung dieser Mittel. Schätzungsweise rund 900 Millionen Euro würden dabei für unser Land in der kommenden Förderperiode bis 2020 verloren gehen. 900 Millionen Euro weniger für die Strukturförderung, die Forschungsförderung und die Förderung der ländlichen Räume in Niedersachsen sind nicht hinnehmbar.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Besonders gravierend wären die Folgen in der Region des ehemaligen Regierungsbezirks Lüneburg. Ich komme aus dieser Region, und ich weiß, dass wir dort wirklich allerhand zu schultern haben. Wir haben dort einen erheblichen Bevölkerungsrückgang zu beobachten, gerade im ländlichen Raum. Dazu kommen große Konversionslasten durch den Abzug der britischen Streitkräfte.
Von der Ziel-1-Förderung, die richtig und wichtig für diese Region war, würde nichts, aber auch gar nichts übrig bleiben. Lüneburg soll nach Ziel-1 keine Übergangsförderung erhalten – rund 70 % Mittelrückgang im Gegensatz zu anderen inner- deutschen Regionen mit vergleichbarer Struktur. Die Heide würde also voll verlieren. Das ist eine Ungleichbehandlung und schlichtweg eine Ungerechtigkeit, die unbedingt abgewendet werden muss.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Bei dieser Diskussion geht es am Ende nicht nur um Geld. Es geht auch um das Vertrauen in Europa als Motor für eine fortschrittliche Entwicklung aller Regionen. Mit der Strategie „Europa 2020“ hat sich die EU große Ziele gesetzt: Investitionen in Beschäftigung, Innovation, Bildung, soziale Integration und die Bewältigung des Klimawandels.
Diese Strategie darf aber kein Lippenbekenntnis bleiben. Nein, sie muss auch in Niedersachsen ankommen. Das haben wir uns vorgenommen. Rot-Grün hat mit dem Koalitionsvertrag eine solche Innovationsstrategie für die kommenden Jahre beschrieben. Wir wollen die zentrale Herausforderung des demografischen Wandels angehen und soziale Teilhabe organisieren, gerade bei Bildung und auf dem Arbeitsmarkt.

Im ländlichen Raum wollen wir die Entwicklung über die zweite Säule der Agrarförderung stärken. Das geht nicht ohne Europa. Deswegen haben wir unseren Antrag vorgelegt. Wir brauchen eine verlässliche Förderkulisse, die über das hinausgeht, was Frau Merkel uns schlechterdings verhandelt hat. Wir appellieren daher an das Europäische Parlament und insbesondere an die niedersächsischen Europaabgeordneten, bei ihrer Ablehnung des Finanzrahmens zu bleiben.
Aber ehrlich gesagt – an die rechte Seite des Hauses gerichtet- : Wir appellieren auch an Sie. Wenn es um das Landesinteresse geht, dann erhoffen wir uns Ihre Unterstützung. Es ist zwar gut, wenn wir alle christlich unsere Eltern ehren, aber an der Stelle müssten Sie Ihrer Mutti laut widersprechen. Wenn es um Europa geht, kann man in Berlin nicht die Hacken zusammenschlagen. Dann erwarten wir auch Ihren Einsatz im Interesse unseres Landes.

(Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Meine Damen und Herren, wir wollen kein Europa, in dem Steuer- und Lohndumping organisiert werden. Wir wollen kein Europa, in dem junge Menschen vor allem eines lernen: dass ganz wenige ganz viele unter Druck setzen. Wir wollen vielmehr ein Europa, in dem wir gemeinsam in eine solidarische Zukunft investieren, für uns alle und für Niedersachsen.
Denn letztlich geht es bei aller Diskussion um den EU-Finanzrahmen doch um eine grundsätzliche Frage: Wie stärken wir das Vertrauen in Europa? – Ich bin fest davon überzeugt: Das geht nur, wenn die Förderung Europas hier zu Hause ankommt.
Dabei können Sie mithelfen, indem Sie unseren Antrag mittragen.

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Lebhafter Beifall bei der SPD und bei den GRÜNEN)

Weitere Artikel